Erinnerungen an früher: Schach in Belgien

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Das Rathaus von Leuven

Was man doch so alles beim Stöbern im Internet findet. Als ich mal wieder nach dem Schachclub Leuven schaute, fand ich dort eine unglaublich ausführliche Geschichte der beiden Vereine, aus dem der aktuelle Leuvener Verein Leuven Centraal hervorgegangen ist, allerdings alles in Niederländisch, Verzeihung: Flämisch. Ich hatte ja von 1997-1999 2 Jahre in Leuven gelebt und gearbeitet und dort auch Schach gespielt, und fand beim Lesen tatsächlich meinen Namen. Wahrscheinlich habe ich in diesen Jahren mein bestes Schach gespielt (meine belgische Wertungszahl lag damals bei 2080). Zu der Zeit gab es in Leuven 2 Vereine, ich spielte bei Desperado Leuven, die erste Mannschaft spielte immerhin in der 2. belgischen Liga. Der Lokalrivale Lustige Vrijpion Leuven (das heißt der lustige Freibauer) spielte in der höchsten belgischen Klasse und spielte zu der Zeit sogar einmal im Europacup.

Dabei gelang es mir, die 1998/99er Clubmeisterschaft zu gewinnen. Das Turnier wurde im sogenannten Keizer-System gespielt, dabei werden die Paarungen von oben nach unten aus allen anwesenden Teilnehmern bestimmt, das heißt, in der ersten Runde spielt Nummer 1 gegen Nummer 2, Nummer 3 gegen Nummer 4 und so weiter. Der Clou ist, dass die Punkte iterativ immer aus der aktuellen Tabelle berechnet werden, wobei Siege gegen Spieler weiter vorne in der Rangliste mehr Punkte geben.Damit ist mit vorhandener Rangfolge und den bisher gespielten Runden das Paaren sehr einfach, die Berechnung des Classements macht dann zu Hause der Computer. Damit bekommt jeder Anwesende einen Gegner, und man kann in so einem Turnier auch mal fehlen, typischerweise bekommt man bis zu 2 oder 3 mal pro Turnier je nach Rundenzahl ein Remis gegen die eigene Platzierung gutgeschrieben. Der Modus wurde auf meine Anregung hin übrigens im Schachverein Eppstein schon vor Jahren fürs Vereinsturnier übernommen.

Das Turnier wurde über ca. 20 Runden ausgetragen, 2x wurden die Paarungen auf Null gesetzt, d.h. man konnte bis zu 3x gegen den selben Gegner spielen, damit nicht nach wenigen Runden die besten schon gegeneinander gespielt haben und irgendwann keine adäquaten Gegner mehr hatten. Beeindruckend die Teilnehmerzahl: insgesamt 74 (!) Spieler nahmen teil, davon mehr als die Hälfte regelmäßig. Von solchen Teilnehmerzahlen können die meisten Vereine heute nur träumen, sieht man mal von Opens oder Turnieren wie der in Kürze beginnenden Frankfurter Stadtmeisterschaft ab. Gespielt wurde im Saal eines sehr schönen Cafe mitten in Leuven – die Stadt mit der höchsten Kneipendichte, die ich kenne. Gespielt wird dort heute immer noch. Anfang November gibt es in Leuven ein Open, das wäre vielleicht mal einen Besuch wert – eine Ausschreibung gibt es allerdings noch nicht. Außerdem findet in Leuven die nächste Station der Grand Chess Tour vom 15. bis 21.Juni statt.

Hier eine Partie aus der Vereinsmeisterschaft 1998/99, die sich auch in der Chronik findet.

Als Clubmeister hatte ich dann das zweifelhafte Vergnügen, gegen den Rest des Vereins simultan spielen zu dürfen, immerhin erreichte ich etwa 12,5 Punkte aus 25 Partien gegen starke Gegnerschaft, die spektakulärste Partie hier, wobei die ersten 10 Züge eine bekannte Theorievariante gegen Pirc sind.

Außerdem hier noch eine Partie aus einem Vergleichskampf Desperado-LV Leuven, der hoch mit 21,5-6,5 an den “Lustige Vrijpion” ging. An den ersten 11 Brettern holten wir gerade mal 1,5 Punkte, einen davon ich in der folgenden Partie:

In den Mannschaftskämpfen spielte ich damals unter anderem gegen einen hochtalentierten 12-jährigen Jugendspieler und erreichte mit Müh und Not mit Schwarz ein Remis (Maroczy-Aufbau gegen den beschleunigten Drachen – mein Eröffnungsrepertoire hat sich nicht so verändert, siehe meine letzten Berichte). Inzwischen ist Bart Michiels Großmeister und die Nummer 1 Belgiens.

Solche Chroniken gibt es nicht von vielen Vereinen, die wenigsten machen sich die Mühe, die Informationen über so lange Zeit zu sammeln und aufzuheben.

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